Der Autor

Ein Interview mit Tom Schmieder

»Als wir einmal fast erfolgreich waren«

Über den Debütroman von Tom Schmieder 
Erschienen in „Der Deutsche Satz – Zeitschrift für die gute deutsche Literatur“
Geführt von Odemar Oderich, Chefredakteur

DDS: Herr Schmieder, Ihr Roman „Als wir einmal fast erfolgreich waren“ hat in den letzten Wochen viele kritische Reaktionen hervorgerufen. Was sagen Sie zu den zahlreich erhobenen Vorwürfen, Ihr Roman sei ein einziges Rechtfertigungspamphlet für linksradikale Gewalt?

Tom Schmieder: Dazu sage ich, dass Ihre Fragestellung den offensichtlichen Blödsinn dieser sachfremden Einlassungen, die Sie zu „kritischen Reaktionen“ aufgewertet wissen wollen, bereits entlarvt und damit beantwortet haben. Ein Roman ist eine literarische Gattung. Das sollten Sie auch schon einmal gehört haben. Ein Pamphlet ist eine politische Streitschrift, die sich bestimmter – mutmaßlich unsachlicher – Stilmittel bedient. „Als wir einmal fast erfolgreich waren“ ist ein Roman. Nicht mehr und nicht weniger.

DDS: Das sind doch Ausflüchte! Und die Leserschaft von DDS bedarf Ihrer besserwisserischen Kommentare wirklich nicht.

Tom Schmieder: Da bin ich mir nicht so sicher. Zumindest bei Ihnen scheint es doch gewissen Aufklärungsbedarf zu geben.

DDS: Nochmals: Sie können doch berechtigte und ernsthafte Kritik an Ihrer Veröffentlichung von wichtigen Teilen unserer demokratischen Öffentlichkeit, wie zum Beispiel dem Bund Deutscher Kriminalbeamter, der Ihren Roman als „gewaltverherrlichend“ bezeichnet hat, nicht mit einem Verweis auf die Gattung Roman abtun. Wie war denn Ihre spontane Reaktion auf diese Äußerungen?

Tom Schmieder: Hhmm … Überraschung? Überraschung trifft es wohl am ehesten. Grundsätzlich macht es natürlich nicht viel Sinn, wenn Sie beispielsweise als Komponist tätig sind, sich mit Kommentaren über ihre Kompositionen im Fachorgan der Deutschen Milchwirtschaft zu beschäftigen. Aber es freut mich natürlich, wenn auch der deutsche Kriminalbeamte mal ein gutes Buch liest. Ehrlich. Dann wird aus der Überraschung sogar Freude.

DDS: Sie weichen aus! Gewaltverherrlichung ist doch ein schwerer Vorwurf. Sogar ein Straftatbestand. Da tragen Sie als Autor doch unmittelbar Verantwortung, wenn sich unsere deutschen Polizeibeamten betroffen fühlen.

Tom Schmieder: Mal abgesehen davon, dass der Paragraph des Strafgesetzbuches „Gewaltdarstellung“ heißt und nicht „Gewaltverherrlichung“, Paragraph 131 StGB im Übrigen, falls Sie sich mal weiterbilden möchten, ist er bezüglich der Romanhandlung konstruierter Unsinn. Es kommt in dem Roman genau an zwei Stellen zu Gewaltdelikten, genauer gesagt zu Körperverletzungen, die nicht vom Staat und seinen Organen ausgehen. Und nur diese meinen die so genannten Kritiker ja wohl. Einmal gegenüber einem Mann, der gerade im Begriff ist eine Minderjährige sexuell zu missbrauchen und einmal gegenüber einer Rotlichtgröße, weil sie einer Person die berechtigte Zahlung von erbrachten Arbeits- und Dienstleistungen verweigert. Und das ist es dann auch schon. In jedem Märchen, in jedem durchschnittlichen Kriminalroman kommt es zu zahllosen Gewaltdelikten und Morden, teils bis zur Unerträglichkeit im Detail geschildert, was zu keinerlei Kritik aus dieser Ecke führt. Also, was soll man dazu sagen?

DDS: Sie könnten zum Beispiel erläutern, wie es angehen kann, dass es 2021 immer noch Autoren gibt, die die Mordtaten der RAF glorifizieren.

Tom Schmieder: Das kann ich nicht. Und das aus zwei Gründen: Erstens kenne ich keine Autor*innen, der/die das tut und zweitens, wenn ich eine oder einen kennen würde, könnte ich das auch nicht erklären, weil ich nicht für andere Autor*innen sprechen kann. Und falls Sie irrigerweise den von mir in diesem Jahr vorgelegten Roman meinen sollten, empfehle ich gründlichere, kontextorientierte Lektüre, dann erschließt sich auch den eher literaturungewohnten Leser*innen, zu denen Sie offenbar zählen, der eine oder andere innere Zusammenhang.

DDS: Ihr gesamtes Schreiben ist von einer eher schwachen und bilderarmen Sprache geprägt, während die Polemik das einzige Stilmittel zu sein scheint, über welches Sie verfügen. Das zeigt sich leider auch in der Art Ihrer Antworten.

Tom Schmieder: Wenn Sie meinen.

DDS: Und dass Sie sich an der üblen Verhunzung und Verelendung der deutschen Sprache mit diesem Gender-Terror beteiligen, war wohl auch nichts anders zu erwarten.

Tom Schmieder: Keine Ahnung, was zu erwarten war … Aber Gender-Terror ist doch ein schöner Ausdruck für jemanden, der offensichtlich Probleme mit Polemik hat. Einmal ganz unabhängig davon, ob ich Polemik verwende oder nicht, sollten Sie für den „Deutschen Satz“ einmal einen aktuellen Report verfassen: „Schon über hundert Tote durch verantwortungslosen Gender-Terror! Warum schweigt die Bundeskanzlerin?“ Das wäre doch mal eine lohnende Aufgabe für Sie, oder nicht?

DDS: Die Rolle des Kaspers scheint Ihnen ja gut zu gefallen … versuchen wir noch einmal über Ihren Roman zu sprechen.

Tom Schmieder: Gerne, wenn Ihnen das gelingt.

DDS: Kommen wir noch einmal auf Ihre sprachlichen Mittel zurück. Ihre handelnden Figuren bleiben blass, schälen sich aus dem Handlungswirrwarr nicht heraus und wirken oberflächlich, ja fast unbeschrieben. Wie erklären Sie diesen Mangel?

Tom Schmieder: Also, das, was Sie hier einen Mangel nennen, ist eine bewusste Entscheidung, Figuren – und damit fiktionale Menschen – nicht an und mit ihren äußerlichen Merkmalen zu determinieren. Das Aussehen einer Figur detailliert zu beschreiben, sich ausgiebig über Nasenformen, Stirnpartien, Kinnausprägungen, Haaransatz, das Verhältnis der Oberlippe zur Unterlippe und dergleichen auszulassen, ist doch in Wahrheit Oberflächlichkeit in Reinkultur. Da hilft auch eine literarisch-blumige Sprache nicht. Figuren in ihren persönlichen und sozialen Bezügen zu verorten, ihre Beziehung zu anderen Figuren und der Welt oder meinethalben der Handlung festzulegen, ist doch viel interessanter. Das macht eine Figur und damit einen Menschen aus. Sich eine Figur als realen Menschen mit konkreten äußerlichen Merkmalen vorzustellen, kann getrost der individuellen Fantasie der Leser*innen überlassen bleiben.

DDS: Aber die Darstellung Ihrer Figuren bleibt dennoch farblos.

Tom Schmieder: Finde ich nicht. Das was ich an den Figuren relevant finde, wird ausreichend beschrieben. Mehr muss nicht sein. Bei der Art von Literatur, die Ihnen als Ideal vorschwebt, müssen Frauen einen Erdbeermund haben und Männer markante Gesichtszüge. Das finde ich langweilig und oberflächlich.

DDS: Unseren Lesern und uns schwebt vor allem gute deutsche Literatur vor, die mit der wunderbaren und einzigartigen deutschen Sprache angemessen, würdig und stilvoll umgeht. Das gelingt Ihnen eigentlich an keiner Stelle.

Tom Schmieder: Ein Kompliment, wenn es vom „Der deutsche Satz“ kommt, meine ich.

DDS: Kommen wir von der sprachlichen Armut zu den inhaltlichen Zumutungen. Mal abgesehen von dem fragwürdigen Milieu, das Sie meinen, Ihren Lesern vorstellen zu müssen, ist der Text vor allem von unbändigem Elternhass und pauschalen, entwürdigenden Anwürfen gegenüber der Väter- und Großvätergeneration geprägt. Stumpfe Pauschalisierungen. Keinerlei Demut und Anerkennung über die Leistungen Ihrer Vorfahren, keinerlei …

Tom Schmieder. Was meinen Sie mit Leistungen? Treblinka? Stalingrad?

DDS: … keinerlei Blick und Empathie für die Leiden des deutschen Volkes in zwei Weltkriegen, das grausame Schicksal und Unrecht der Vertreibung, die jahrzehntelange Trennung unseres Volkes. Dafür haben Sie nur Hohn und Spott. Es gab in Deutschland wohl niemals zuvor und danach eine Generation, die sich so unbeschreiblich gegenüber ihren Ahnen geäußert und verhalten hat, wie die Ihre. Und diesem Skandalon wollten Sie offensichtlich mit Ihrem Werk ein über 500-seitiges Denkmal setzen.

Tom Schmieder: So viel Lob. Sie machen mich ja ganz verlegen…

Also, das mit den Generationen überblicke ich nicht und ich sehe mich nicht als Vertreter oder gar Sprachrohr irgendeiner Generation. Dafür hat mich nichts und niemand autorisiert. Und die Einteilung historischer und zeitgenössischer Epochen in bestimmte Generationen, denen dann pauschal bestimmte Eigenschaften und Auffassungen zugeschrieben werden, ist ahistorischer Blödsinn und kann höchstens der Geschichtsklitterung dienen, führt aber ansonsten zu gar nichts. Das gilt im Übrigen auch für die Gegenwart. 

Aber wenn ich Ihre Erregung einmal als Gradmesser nehme, wurde es offensichtlich doch einmal Zeit, dass eine Generation kam, die mit der Ehrfurcht vor ihren Vätern gründlich gebrochen zu haben schien.

DDS: Sagt ein Vertreter einer Generation für die das bedeutende Wort des großen deutschen Kanzlers Helmut Kohl von der „Gnade der späten Geburt“ gilt. Und der sich hier um eine klare Stellungnahme zu der Feststellung seiner Unbotmäßigkeit gegenüber den unermesslichen Leiden des deutschen Volkes drücken will. Das ist es doch im Kern: Sprüche klopfen, Polemik wohin das Auge blickt, aber Verantwortung bleibt ein Fremdwort.

Tom Schmieder: Herr Oderich, muss ich mir Sorgen machen? Sie scheinen mir über ein gesundes Maß hinaus erregt. Darf ich Ihnen etwas Baldrian anbieten oder bedürfen Sie stärkerer Mittel? Einen Schnaps vielleicht?

DDS: Sie können gerne weiter den Clown spielen, aber von der Verantwortung vor der deutschen Geschichte können auch Sie sich nicht drücken, Herr Schmieder.

Tom Schmieder: Nicht wahr, Herr Oderich … Da ist Ihnen ein großes Schlusswort gelungen. Lassen wir es dabei bewenden.