1979

»Als wir einmal fast erfolgreich waren«

Die Zeit der späten 70er Jahre erscheint auf den ersten Blick unspektakulärer als die Dekaden davor und danach mit deren offensichtlicheren Brüchen: Die sechziger Jahre mit der Studierendenrevolte nach ‘68 oder die späten 80er Jahre mit dem Fall der Berliner Mauer und der anschließenden Wiedervereinigung. 

Im Gesamten betrachtet, waren international verschiedene Entwicklungen und auch
Brüche zu beobachten, in Iran wurde von Ajatollah Khomeini die Islamische
Revolution ausgerufen, welche in der Region Auswirkungen auf radikale
Strömungen hatte, die maoistisch-nationalistische Guerillabewegung “Rote Khmer”, welche eine Schreckensherrschaft über das eigene Volk in Kambodscha ausübten, wurde von vietnamesischen Truppen mit Einnahme der Hauptstadt Phnom
Penh beendet, Margaret Thatcher wurde mit einer Mehrheit zur ersten Premierministerin Großbritanniens gewählt und auch die erste Weltklimakonferenz
wurde 1979 in Genf abgehalten. 

In der BRD bekam die Umweltschutzbewegung eine neue Form, da die Partei “Die Grünen” sich in Frankfurt/Main nach einem zweitägigen Treffen im März ‘79 von Parteien und Umweltschutzorganisationen gründete und auch im Protest gegen Atomkraft gab es neue Höhepunkte, da die bislang größte Demonstration mit über 40.000 Teilnehmer*innen in Gorleben stattfand. Neben diesen Debatten und dem
Beobachten des Weltgeschehens sind es jedoch besonders zwei Themen, welche die Bewohner*innen der BRD besonders umtrieben. Zum einen löste die vierteilige
US-Fernsehserie „Holocaust“, die in den Dritten Programmen der ARD ausgestrahlt
wird, bundesweit Betroffenheit sowie eine erneute Debatte über den Umgang mit
der eigenen faschistischen Vergangenheit aus. Außerdem hebte der Bundestag die
Verjährungsfrist für Mord auf, was dazu führte, dass neu entdeckte NS-Verbrechen
verfolgt werden konnten. Andererseits formierten sich zunehmend gewaltbereite
rechte Vereinigungen, wie zum Beispiel die “Wiking Jugend” oder “Wehrsportgruppen”, deren größter Ableger die “Wehrsportgruppe Hoffmann” als Durchlaufstation für den bundesdeutschen Rechtsterrorismus fungierte.

Zum anderen saß jedoch der Deutsche Herbst ‘77 noch tief. Dies führte dazu, dass die Medien in der BRD Stimmung machten gegen jegliche linksgerichtete Gruppierungen oder Strömungen. Dabei war die linke Bewegung bzw. undogmatische Linksradikale während des Deutschen Herbsts in einer Phase der Umorientierung, weg von Häuserkämpfen und Betriebsinterventionen hin zu den bis dato sehr erfolgreichen Anti-Atomkraft-Protesten. Immer weiter geriet die linke Bewegung unter Druck und spaltete sich zunehmend. Bei der juristischen Ausnahmesituation während der Schleyer-Entführung verstärkte sich die verstummte Zuschauerrolle der Spontis, des Weiteren gab es eine Welle der Distanzierung und Entsolidarisierung des linksliberalen und akademischen Umfelds der 68er Bewegung, was zu einem ernüchternden Erlebnis der linksradikalen Szene wurde.

1978-1980, Westberlin. Credits: Ulrich Faatz